Editorial

An der Fassade des Berliner Kinos Babylon scheint die Zeit stehen geblieben. Ein Großplakat kündigt Godfrey Reggios Kultfilm «Koyaanisqatsi» für den 23. Oktober 2020 an. Kurz danach kam es zum zweiten Lockdown, das Kino wurde erneut geschlossen, und so hängt das Plakat bis heute.

«Koyaanisqatsi» – Leben, das aus der Balance geraten ist und Neues sucht: So lässt sich das Hopi-Wort übersetzen. Das passt doch ganz gut, wenn ich die vielen Widersprüche und globalen Umbrüche der heutigen Welt betrachte. Einige Facetten haben wir für Sie in diesem Heft ausgeleuchtet.

Das Coronavirus hat unser Zusammenleben auf nie gekannte Weise verändert, unsere Kultur und Wirtschaft im zweiten Lockdown zum Teil zum Erliegen gebracht. Theater, Restaurants, Hotels und Flughäfen mussten schließen oder auf Sparflamme funktionieren. Die Folgen der Pandemie werden uns noch lange beschäftigen.

Prozesse, die sich bereits im Umbruch befanden, werden rasant beschleunigt – wie zum Beispiel die Digitalisierung. Das Ende der amerikanischen Hegemonie und damit
 die globale Machtverschiebung Richtung Asien wird auch mit Joe Biden nicht ganz aufzuhalten sein.

Die Kurse der Ölfirmen stürzten auf den Weltmärkten ab, das Klimathema hat sogar auf den Finanzmärkten Fuß gefasst. Das verschafft uns keinen Aufschub – die Antwort auf die Klimakatastrophe muss schnell und radikal sein.

Bewegungen in aller Welt machen ihren Widerstand öffentlich: Black Lives Matter in den USA, die Proteste in Chile, Belarus, Thailand und nun Myanmar, um nur einige zu nennen. Die Menschen stehen ein für Demokratie und Freiheit und brauchen unsere Solidarität. Umbruchzeiten sind anstrengend, aber kein Grund zu verzagen. Sie sind demokratischer Auftrag und eine politische Chance, die große Transformation entschlossen voranzutreiben.

Ihre Barbara Unmüßig

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